Schulinterne Fortbildung - Interview mit Micha Busch

Jahrelang habe ich alleine daran gearbeitet, wie man den Unterricht mit neuen Medien (insbesondere Videos) anders gestalten und vielleicht besser machen kann. Nun ist es aber auch an der Zeit, meine eigenen Kollegen "ins Boot zu holen". Die Möglichkeiten der digitalen Bildung sind so facetten- und zahlreich, dass man gar nicht weiß, wie anfangen. Wie bilde ich meine Kollegen fort, bzw. motviere ich sie zum Einsatz neuer Medien?

Ich hatte dann begonnen, im Internet nach Vorlagen zu suchen und bin über Micha Busch und seine Homepage gestolpert. Über Twitter hatten wir dann einen Skype-Termin vereinbart, dass er mir von seinem Fortbildungskonzept berichten kann. Das war so ergiebig, dass wir beschlossen haben, meine Fragen und seine Antworten in einem Blogartikel zu veröffentlichen. Vielleicht hilft dies auch anderen Kollegen weiter, die an Ihrer Schule vor einer ähnlichen Herausforderung stehen.

Du hast ein Fortbildungskonzept entworfen, das Kolleginnen und Kollegen (KuK) in die Welt der digitalen Bildung einführen soll. Was macht ihr da an Eurer Schule und wie sind Deine Erfahrungen?

Wir bilden uns an der STS Am Heidberg als Kollegium systematisch im Bereich "Digitale Medien" fort. Dazu habe ich eine Fortbildungsreihe namens "SCHILF Digitale Bildung" entwickelt, die letztes Jahr pilotiert wurde. Ich sehe dabei eine enge Verknüpfung zwischen dem Digitalen und der Unterrichts- sowie Schulentwicklung. Nähere Infos dazu gibt es auf meinem Blog. Außerdem haben wir pro Halbjahr eine Basisfortbildung zur Arbeit mit Smartboard & Server, als Einführung für neue sowie zur Auffrischung für etablierte KuK. Darüber hinaus bieten wir ab diesem Halbjahr Vertiefungsworkshops zu den Bereichen "Lernen mit Medien" und "Lernen über Medien" für interessierte KuK an.

 

Das mache ich natürlich nicht alles alleine. Ich versuche eine Community an unserer Schule zu etablieren, die sich gegenseitig im Sinne des Peer-to-Peer Learnings fortbildet. Quasi ein schulinternes kollektives Lernnetzwerk - mit Experten für verschiedene Bereiche - das je nach Bedarf um externe Expertise erweitert werden kann. Solch ein Netzwerk hat den großen Vorteil, dass „digitale Bildung“ nicht ein Thema weniger Akteure (oder „Einzelkämpfer“) ist, sondern auf einem breiteren Fundament fußt.

 

So haben wir auch den letzten Pädagogischen Jahrestag „Lernen in der digitalen Welt“ realisiert - neben externen Referenten waren es vor allem unsere schulinternen Experten, die Workshopangebote gemacht haben.

 

Meine Aufgaben in diesem Bereich sind momentan (neben der Durchführung der SCHILF Digitale Bildung) vor allem die Koordination der Referenten und Angebote, die schulinterne Konzeptentwicklung sowie die Kooperation mit außerschulischen Partnern.

 

In einem nächsten Schritt wollen wir auch Workshops anbieten, in denen Schülerinnen und Schüler den KuK was beibringen. Ein konkretes Vorhaben in diesem Kontext ist bspw. eine Robotik-Fortbildung für MINT-Lehrkräfte.

 

Die Vorteile schulinterner Fortbildungen liegen auf der Hand: die KuK lernen in gewohnter Umgebung und mit dem schulischen Equipment, sie kennen sich und können über die Fortbildungszeiten hinaus unmittelbar im Alltag kooperieren, sich austauschen und gemeinsam an Unterrichtsvorhaben arbeiten. Außerdem entsteht so eine (immer größer werdende) Gruppe in der Schule, die sich aktiv mit den Möglichkeiten & Herausforderungen der digitalen Transformation für Unterricht, Schule und Gesellschaft auseinandersetzt. Das führt im Idealfall dazu, dass ein Kollegium Schule insgesamt als stetig lernende Organisation wahrnimmt und dies nicht als Belastung, sondern als Chance der Weiterentwicklung empfindet.

 

So sind auch die Erfahrungen bisher überwiegend sehr positiv: insbesondere die Fortbildungsreihe "Digitale Bildung" wird als Raum wahrgenommen, in dem über Lernen & Unterricht reflektiert werden kann, in dem die KuK sich als Lerner wahrnehmen und weiter professionalisieren. Der Werkstatt-Charakter der Fortbildungen, der sich in ausgedehnten hands-on Phasen zeigt, fördert das Ausprobieren, die Neugier und den Spaß an der Unterrichts(weiter)entwicklung.

 

Wie hast Du Deine Kollegen für die Fortbildung motivieren können?

Ich denke, dass unser Kollegium grundsätzlich motiviert und Neuem aufgeschlossen ist. Aber natürlich ist auch bei uns der Workload hoch: Die Wochenarbeitszeit bei einer Lehrer-Vollzeitstelle beträgt 46,5 Stunden; in Spitzenzeiten sind es locker 50 und mehr. Neben den 22 bis 28 Unterrichtsstunden, die jede vollbeschäftigte Lehrkraft abhängig von der Fächerkombination und der Schulform/-stufe vorbereitet und unterrichtet, haben wir u.a. Lehrerkonferenzen, Oberstufenkonferenzen, Jahrgangsteamsitzungen, Fachkonferenzen, Unterrichtsteamsitzungen, Klassenkonferenzen, pädagogische Konferenzen, Zeugniskonferenzen, pädagogische Jahrestage, Elternabende, Elterngespräche, AGs und Projekte, Klassenreisen und Exkursionen, wir lösen tagtäglich Konflikte zwischen Schülern, machen Pausenaufsichten & Vertretungsunterricht, wir erstellen und korrigieren regelmäßig Tests, Klassenarbeiten und Klausuren, führen Lernentwicklungsgespräche und mündliche Prüfungen durch, verwalten einen immer größer werdenden Berg an Listen, Protokollen, Übersichten - und bilden uns eben auch noch fort.

 

In Hamburg gibt es für Lehrkräfte eine Fortbildungsverpflichtung in Höhe von 30 Zeitstunden pro Schuljahr - diese Verpflichtung kommt unseren internen Fortbildungsangeboten natürlich entgegen. Wenn man den KuK ein qualitativ hochwertiges Angebot direkt nach ihrem Unterricht an ihrer Schule machen kann, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie sich für einen Workshop einschreiben als wenn sie noch Wegzeiten auf sich nehmen müssen.

 

Jeder versucht immer den Mehrwert der Didaktik bei digitalen Elementen in der Bildung zu betonen. Auf Fortbildungen landet man aber häufig doch auf der technischen Schiene. Wie betonst Du den Mehrwert?

Im Idealfall verschwindet die Technik im Flow des Unterrichtsvorhaben. Das zu erreichen ist für mich das Ziel - sowohl im Unterricht als auch in den Fortbildungen. Es geht mir also nicht so sehr um die Technik als solche, sondern um das, was man mithilfe der Technik (besser, leichter oder überhaupt erst) machen kann. Da könnte ich jetzt viele Buzz-Wörter nennen.

 

Die konkreten Möglichkeiten und Vorteile für Unterricht und Lernen aufzeigen und die KuK ausprobieren lassen, beraten, Fragen stellen, zuhören und mitlernen - das kann ich in Fortbildungen machen. Und das kann auch der Mehrwert sein - dass wir eben alle Lernerinnen und Lerner sind in dieser sich erst am Anfang befindlichen digitalen Epoche.

 

Kann man die Materialien Deiner Fortbildung für den Eigengebrauch an der eigenen Schule bekommen?

Ich überarbeite die Folien und werde sie, wenn der Überarbeitungsprozess abgeschlossen ist, veröffentlichen. Viel wichtiger als meine Folien sind aber die Fragen, Wünsche und Bedürfnisse, die im jeweiligen Kollegium auftreten. Diese zu erfassen und als Ausgangspunkt für die individuelle Professionalisierung der KuK aber auch der Steuerung des Unterrichts- und Schulentwicklungsprozess zu nehmen, ist Voraussetzung für ein erfolgreiches schulinternes Fortbildungssystem. Es geht darum, ins Gespräch zu kommen, über das Lernen, über die Vorstellungen von Unterricht und darüber, welche Rolle Technologie dabei spielt bzw. spielen kann.

 

Oftmals geben Kollegen nach einem ersten fehlgeschlagenen Versuch beim Umgang mit der Technik gleich auf. Welches Tool, welche Software, welchen Einstieg empfiehlst Du, dass Motivation gelingt?

Mir geht es nicht so sehr um Tools, sondern um Unterrichtsszenarien und wie man diese mithilfe digitaler Medien besser gestalten kann. Ein wichtiges Unterrichtsszenario für mich ist beispielsweise das Feedback der Lerngruppe, das ich mir regelmäßig einhole.

 

Ich würde also empfehlen, mit einem digital gestützten anonymen Feedback zu beginnen, da man nicht nur viel Zeit im Vergleich zur Auswertung analoger Fragebögen spart, sondern zugleich das Feedback dokumentiert hat und ggf. archivieren kann, um zu einem späteren Zeitpunkt Vergleiche anzustellen. Weitere Gedanken zu Feedback im Unterricht findet man hier und hier.

 

Für digitales Feedback kann man gut die mobilen Endgeräte der Schüler nutzen. Zudem braucht man einen Beamer + PC mit Internetanschluss, um die Auswertung zu visualisieren und zu besprechen.

 

Es gibt viele Tools, mit denen man digital Feedback einholen kann, z.B. Survey Monkey. Ein datenschutzrechtlich unbedenkliches Tool ist die Edkimo App, die für die Schule kostenpflichtig ist (einen Test-Account pro Schule gibt’s jedoch gratis).

 

Vielen Dank an Micha Busch, für die Möglichkeit, Deine Gedanken und Ideen zu teilen. Deine Idee, an Deiner Schule mit den Fortbildungen zu beginnen finde ich die für mich wichtigste Essenz: Wenn ich es nicht schaffe, meine eigenen Kollegen zu überzeugen, wird es schwer, die Elemente der digitalen Bildung großflächig in die Lehrerlandschaft zu bringen. Dazu können Deine Materialien bestimmt bald eine tolle Hilfe sein. Wer schon jetzt einmal sehen möchte, was inhaltlich auf diesen Fortbildungen geschieht, dem empfehle ich diesen Blogpost.